Thomas Römhild ist Gründer und Studiengangleiter des Master-Studiengangs „Architectural Lighting Design“ an der Hochschule Wismar – University of Applied Sciences: Technology, Business and Design sowie des Fernstudiengangs „Architectual Lighting und Design Management“ der WINGS – Wismar International Graduation Services GmbH an der Hochschule Wismar sowie stellvertretender Vorsitzender der LiTG – Deutsche Lichttechnischen Gesellschaft e.V.. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Tageslicht und öffentliche Beleuchtung. Zuletzt forschte er über dynamisches Licht im öffentlichen Raum, Dynamic Lighting.
Interview mit Thomas Römhild
Rolf Mauer: Herr Römhild, Ihre Hochschule bietet »Architectural Lighting Design« an. Was steckt hinter diesem englischsprachlichen Begriff?
Thomas Römhild: Die Übersetzung heißt: Architektonische Lichtplanung und definiert den Focus unserer Ausbildung. Lichtgestaltung gibt es im Theater, in Foto-, Film- und TV- Studios und in andern Bereichen. Es gibt Spezialisten für Bühnen- und Eventbeleuchtung im Konzertbereich. Hier gelten andere Regeln und vor allem werden ganz andere Ziele verfolgt als in der Architekturbeleuchtung. Wir beschäftigen uns mit der Beleuchtung von Gebäuden und ihrem Umfeld mit Kunst- und Tageslicht. Die Aufgabenstellungen reichen von der alltäglichen Beleuchtung eines Büros, über die Beleuchtung des Stadtraums, bis hin zu speziellen Aufgaben wie Denkmale und Museen, um ein paar Beispiele zu nennen. So vielfältig wie die Architektur, so vielfältig ist das „Architectural Lighting Design“!
Rolf Mauer: Was unterscheidet den Präsenz- und Fernstudiengang in Wismar?
Thomas Römhild: Seit fast zwanzig Jahren bieten wir den Präsenzstudiengang an, der für Architekten, Designer, Innenarchitekten, also Menschen mit einer gestalterischen Ausbildung den Umgang mit Gestaltelement Licht nahebringt. Licht als vierte Dimension der Architektur wird durch praktische Übungen und in der Arbeit an Projekten für die Studierenden handhabbar. Neben dem notwendigen technisch-wissenschaftlichen Grundwissen liegt der Schwerpunkt auf der Methode, wie Lösungen gefunden, wie mit Licht gestaltet werden kann.
Seit 2012 haben wir auch einen Fernstudiengang, der dem Präsenzstudiengang sehr ähnelt. Hier wenden wir uns in der Regel an erfahrene Lichtdesigner oder Gestalter aus anderen Bereichen, die neben ihrer beruflichen Praxis, ihr Wissen vervollständigen und verschiedene Entwurfsstrategien kennenlernen wollen, um ihre professionellen Möglichkeiten ausweiten zu können. Wir haben in diesem Studienangebot einen zweiten Schwerpunkt, das Design Management mit hinzugenommen. Die Studierenden sollen lernen, die wirtschaftlichen Gesichtspunkte, die zu ihrer Berufsausübung gehören, besser zu verstehen und auf ganzer Linie erfolgreich zu sein.
Rolf Mauer: Erzählen Sie uns etwas über die Ausstattung Ihrer Hochschule. Wie forschen Sie?
Thomas Römhild: Zwei Dinge sind in unserer Hochschule besonders, die Möglichkeit, dass jeder Student einen Arbeitsplatz bekommt. Dadurch wird die Zusammenarbeit und das voneinander lernen enorm gefördert. Und dann haben wir neben hervorragend ausgestatteten Werkstätten auch ein sehr großes Lichtlabor, in dem sich viele lichtplanerische Fragestellungen 1:1 darstellen lassen. Die Forschungsbereiche sind im Moment Licht und Gesundheit, den mein Kollege Prof. Rohde vertritt, Licht im Denkmalbereich, der von meinen Kollegen Prof. Blieske und Prof. Dr. Hennemeyer bearbeitet wird und das Licht im öffentlichen Raum mit dem ich mich beschäftige.
Zu Forschungszwecken gehen wir aus der Hochschule heraus und machen verschiedene Feldstudien. Ein anderer wichtiger Bereich ist die Organisation von wissenschaftlichen Konferenzen zu den obigen Themen.
Rolf Mauer: Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist dynamisches Licht im öffentlichen Raum. Erläutern Sie uns den Begriff der Dynamik im Zusammenhang mit Licht.
Thomas Römhild: Dynamisches Licht dient einer Beleuchtung, die sich an sich ändernde Aufgabestellungen anpasst. Nicht nur reagierend wie die adaptive Beleuchtung, sondern proaktiv, die Situation gestaltend. Auch wenn Architektur statisch ist, sich scheinbar nicht verändert, wird sie doch immer wieder anders, unterschiedlich intensiv, aber auch mit unterschiedliche Erwartungen genutzt. Licht als das zwischen dem Menschen und dem Raum vermittelnde Element kann entscheidend dazu beitragen, dass die Architektur vielfältiger genutzt werden kann.
Rolf Mauer: Tages- und Kunstlicht verändern die Architekturen und Räume im Laufe des Tages und der Nacht. Das Tageslicht erzählt uns von Tages- oder auch Jahreszeiten?
Thomas Römhild: Genau, wir haben gelernt aus der Art des Lichtes auf die Tages- und Jahreszeiten, auf das Wetter und sogar auf die geographische Lage zu schließen. Unterschiedliches Tageslicht löst auch unterschiedliche Stimmungen aus. Eine gute Tageslichtversorgung trägt sehr zu Wohlbefinden und zur Gesundheit der Menschen in Innenräumen bei. Menschen in Innenräumen sind wir eigentlich alle mehr während 90% des Tages.
Kunstlicht erzählt uns auch etwas über den Ort über die Sprache der Architektur hinaus. Wir haben gelernt welches Licht zu bestimmten Tätigkeiten und zu bestimmen Emotionen passt. In einem guten Restaurant erwartetet man beispielweise eine andere Beleuchtung als in einem Schnellrestaurant.
Rolf Mauer: Wo ist die Grenze von Dunkelheit und Licht?
Thomas Römhild: Die Sehfähigkeit des Menschen ist enorm, sie reicht vom Mondlicht bis zum prallen Sonnenlicht, von weniger als einem Lux (kurz lx) bis zu mehr als 100.000 lx. Die Frage beinhaltet eher die Frage nach der Relation. Wann wird ein Raum als zu dunkel oder zu hell empfunden? Hier spielen funktionale Überlegungen, wie zum Beispiel: Kann ich bei dieser Beleuchtung lesen oder blendet mich die Sonne, sodass ich nicht mehr auf den Verkehr achten kann, eine große Rolle. Aber im Wesentlichen sind es die Erwartungen, die an eine Situation gestellt werden, die zwischen Dunkel und Hell unterscheiden lassen. Erwartungen die auch kulturell geprägt sind, so wird dunkel oft als negativ, hell als positiv eingeschätzt. Aber die scheinbar unbegrenzte Verfügbarkeit von künstlichen Licht, führt dazu, dass die Dunkelheit und deren Erhalt positiv bewertet werden.
Rolf Mauer: Gibt es kulturelle und internationale Unterschiede bei der Außenbeleuchtung zu verzeichnen? Und welche sind beispielsweise typisch für Deutschland?
Thomas Römhild: In Europa und insbesondere in Deutschland wird die Straßenbeleuchtung als Teil der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern angesehen. Fürsorge, die auch eine Kontrolle, bzw. Kontrollierbarkeit beinhaltet. Das ist in anderen Teilen der Welt anders, wo die Straßenbeleuchtung eher ein Angebot ist, dass oft auf privater Initiative beruht. Daraus ergibt sich auch ein anderer Umgang mit dem Dunkel der Nacht. Es gibt auch Länder wie die Golfstaaten in denen die Nacht noch stärker als bei uns zum Tag gemacht wird.
Rolf Mauer: Welche internationale Entwicklung sollten wir uns zum Vorbild nehmen? Von wem können wir lernen?
Thomas Römhild: Wir sollten die Ansprüche und Erwartungen immer wieder hinterfragen, unsere Bedürfnisse sind nicht nur physiologisch bedingt, sondern spiegeln die gesellschaftlichen Strukturen in denen wir leben und unsere kulturellen Wurzeln. Licht sollte differenzierter und nicht so stur normgerecht eingesetzt werden, um die Vielfalt der Gesellschaft darzustellen.
Rolf Mauer: Das Forschungsthema Dynamic Lighting betrachtet auch die Energie- und Kosteneffizienz, die Steigerung der Beleuchtungsqualität, das Abgleichen mit Nutzungsbedürfnissen und stadtgestalterischen Anliegen sowie die Vermeidung von Lichtverschmutzung. Gibt es hier zukunftsträchtige Lösungen, die schon heute im Außenraum Anwendung finden?
Thomas Römhild: Die einfachste Form der Anpassung des Lichts an die jeweiligen Erfordernisse ist die Abstimmung der Intensität mit der Verkehrsdichte. Eine Absenkung der Beleuchtungsstärke, während der Nachtstunden, die oft mit einer Verbesserung in den Abendstunden einhergeht, ist ein bereits öfter zu findender erster Schritt. In unserem Projekt haben wir auch Radwege so beleuchtet, dass sie bei Nichtbenutzung dunkel sind. Ich war da skeptisch, weil die totale Dunkelheit nicht einladend wirkt, aber die Menschen haben gelernt, dass sie sich auf die Technik verlassen können, nutzen den Weg und geben den Tieren so teilweise die Nacht zurück!
Rolf Mauer: Heruntergebrochen auf den Einzelnen. Wie kann ich mich persönlich lichttechnisch verbessern? Wie sollte mein persönliches Licht am Arbeitsplatz und im Wohnzimmer gestaltet sein.
Thomas Römhild: Fragen sie Ihren Lichtplaner! (lacht) Im Ernst, durch die neuen Leuchtmittel sind die Möglichkeiten der Beleuchtung so vielfältig geworden, dass es sich lohnt einen Fachmann zu Rate zu ziehen, der die notwendige Erfahrung hat. Wenn das nicht möglich ist, müssen sie Erfahrungen sammeln. Verändern Sie Ihre Beleuchtung, trauen Sie sich neue Lösungen auszuprobieren und auch wieder zu verwerfen. Investieren sie nicht zu viel Geld in gutes Design, bis Sie sich nicht sicher sind, dass das Licht, das das gute Stück abgibt, wirklich ihren Bedürfnissen entspricht und ändern sie ruhig einmal die alte, scheinbar bewährte Lösung. Es gibt immer etwas zu verbessern, weil die Ansprüche sich ändern.
Rolf Mauer: Licht und Architektur stehen im Dialog. Was wünschen Sie sich von Architekten?
Thomas Römhild: Architekten denken oft, dass sie von Licht ausreichend verstehen, weil sie die Architektur gestalten, die das Licht sichtbar macht. Aber es ist umgekehrt, Licht macht die Architektur erlebbar, vermittelt sie an den Menschen und ist ein eignes Medium, dessen Gestaltung genauso komplex ist, wie die Gestaltung der Räume selbst. Daher sind unsere Studiengänge, die die Methoden und Sichtweisen der Architekturausbildung auf das Licht anwenden, so erfolgreich. Durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Architekten, lässt sich die Nutzbarkeit und die atmosphärische Wirkung der Architektur durch gute Beleuchtung, durch ein integriertes „Architectural Lighting Design“ enorm steigern.
Rolf Mauer: Herr Professor Dr. Römhild, vielen Dank für das Interview.