Die Mosterei Möhl verwirklichte auf ihrem Betriebsgelände in Arbon einen gleichermaßen innovativen wie repräsentativen Museumsbau, dessen expressive Plastizität nicht nur in der kleinen Stadt am Bodensee ihresgleichen sucht. Die beiden beteiligten Lichtplanungsbüros führten das gelungene Zusammenwirken von Scheunencharakter und Industriebau mit ihrem Beleuchtungskonzept fort.
Bei der Anreise über die St. Gallerstraße in Arbon im Kanton Thurgau nimmt das Gebäude des Museums of Modern Öpfel kurz MoMö, den Blick sofort gefangen. Die Architektursprache des schlichten, mit Holz verkleideten Gebäudes scheint bekannt, doch irgendetwas ist anders. Bei näherer Betrachtung erschließt sich die Entwurfsidee der Zürcher Architekten Harder Spreyermann, die 2012 mit dem ersten Preis aus einem Studienauftrag hervorgegangen war, als eine Mischung aus traditionellem Scheunen- und modernem Industriebau. Für letzteres sprechen die Betonbauweise und die mit Blech gedeckte, markant gefaltete Dachlandschaft, während die von Giebeln geprägte Silhouette und die einfache vertikale Holzverschalung des Neubaus auf die traditionellen landwirtschaftlichen Bauten der Umgebung verweisen. In dieser Verbindung von Altem und Neuem repräsentiert das Gebäude, welches von Gamisch Architekten, Zürich, bis ins sorgfältigste Detail ausgeführt wurde, auch die zwei Seiten der bis auf das Jahr 1895 zurückgehenden Mosterei Möhl.
Traditionelle Herstellungsverfahren und eine hochmoderne Produktion gehen dort Hand in Hand. Beides wird im MoMö dank der Szenografie der Kreativ-, Architektur- und Produktionsagentur Aroma auf eine mit allen Sinnen begreifbare, spielerische und interaktive Weise dargestellt und inszeniert. Der Besucher hat darüber hinaus Gelegenheit, in einer Führung durch die Betriebsanlagen und die Fasskeller alles über die Obstverarbeitung zu Most und Cider zu erfahren.
Zum Anbeißen schön: Ein perfekt beleuchteter Apfel verführt zum Eintreten
Bereits vor Eintreten in den mit einer Glastür geschlossenen Vorraum, dessen Rückwand eine Schweizer Landkarte ziert, wird deutlich, dass sich im Schweizer Mosterei- und Brennerei Museum alles um den Apfel dreht. Auf einem großformatigen Sockel aus unbehandeltem Thurgauer Holz zeigt er sich zum Anbeißen schön. Das liegt nicht nur an seiner Frische, sondern auch an seiner lichttechnischen Inszenierung durch das Lichtplanungsbüro Sektor4, welches das organische Exponat mit 10°-Spots aus Palco-Strahlern in hinreißendes Licht setzt. Gemeinsam haben lichtgestaltende ingenieure vogtpartner und Sektor4 das gesamte Museum beleuchtet. Während das Büro aus Winterthur die Beton-Architektur mit 3000K und 4000 K weissem Licht zur Geltung bringt und das Strahler-Grundkonzept entworfen hat, fällt das warme szenografische Licht (2700 K) der Innenausbauten in den Verantwortungsbereich der Zürcher Planer. Den Auftakt liefern diese gleich im Empfangsraum, der unter der architektonisch prägenden Dachform den Ticketverkauf, eine Bar und einen Shop aufnimmt. Der gesamte Bereich, der von einer Sichtbetonwand auf der einen und einer mit dunklem Holz verkleideten Wand auf der anderen Seite sowie einer ebenfalls dunkel verkleideten Dachkonstruktion und einem Betonfußboden charakterisiert wird, ist mit einer raumgreifenden 18 Meter langen Sonderkonstruktion in dreidimensionaler kupferner Gitterstruktur gekrönt. An ihren Verbindungspunkten nimmt die Struktur auf drei Niveaus kleine Filamentleuchten auf und beschert dem Raum mit dieser Licht-Schichtung eine atmosphärische Grundstimmung.
Das Architekturlicht betont die Kühle der Betonelemente
Über die Sonderkonstruktion legte vogtpartner eine weitere Licht-Ebene für die Grundbeleuchtung, welche die Kühle der Betonwände und -treppe sowie der Galerie mit 4000K betont. Dazu wurden an den Dachschrägen Lichtschienen montiert, die justierbare Palco-Strahler mit Wabenraster aufnehmen. Mit ihrer sorgfältigen Entblendung, die ein Aufleuchten der Strahler verhindert, lassen die Raster die Leuchten selbst in den Hintergrund treten.
Auch für das szenografische Licht kommen Palco-Strahler zum Einsatz, deren Lichtfarbe Sektor4 mittels Konversionsfiltern zu 2700K modifizierte. So wurde für das Architekturlicht und die Exponatbeleuchtung eine Gestaltung mit nur einem Leuchtenmodell möglich. Zwecks Entblendung sind die Strahler für das szenografische Licht mit Torblenden versehen.
Aufflammende Exponate in geheimnisvoller Dunkelheit
Den Auftakt zur Ausstellung bildet eine abstrahierte Fasswand, die mit dunklen Holzplanken verkleidet ist. Dieser interaktive Raum führt die Besucher spielerisch in die Themenwelt ein und weckt die Lust auf die etwa 1000 qm große Ausstellung. Hier fällt eine scheunenartige dunkle Grundstimmung auf. Sie ist gewollt, denn das Gefühl von geheimnisvoller tiefer Dunkelheit in einer Scheune ist die Basis der gesamten Lichtsprache, welche die subtile Führung der Besucher ermöglicht. Behutsam gesetzte Laser-Strahler geben mit 3000K das Grundlicht, während die historischen Exponate mittels kleiner Palco-Strahler warm und aufflammend umhüllt werden.
Im Ausstellungsraum selbst wird deutlich, wie das szenografische Licht den Raum hierarchisiert und damit den Blick des Betrachters leitet. Das Ausstellungslicht arbeitet die Exponate plastisch aus der Dunkelheit heraus und bringt Materialien und Oberflächenbeschaffenheiten an den Tag. Die starken Hell-Dunkel-Kontraste erzeugen visuelle Spannung und verleihen den alten Gerätschaften für die Mosterzeugung Lebendigkeit. Für jedes einzelne Objekt wurde die Beleuchtung mit Hingabe geplant. Die Kolonnen-Brennerei, die bis 1983 in Betrieb war, ist sehr schmal und extrem hoch. Zur Ausarbeitung ihrer Plastizität setzte Sektor4 sehr viele Leuchten mit unterschiedlichsten Lichtrichtungen ein, um zu große Helligkeitsunterschiede und zu große Schatten zu vermeiden. Der Besucher fühlt sich wie magisch angezogen, die Gerätschaft aus allernächster Nähe zu betrachten.
Und so geht es dem Betrachter Exponat für Exponat. Das MoMö ist ein spannendes Museum, das einen Besuch in jedem Fall lohnt. Schon allein der kreativen Szenografie von Aroma und der Lichtwirkung wegen, welche vogtpartner und Sektor4 in beispielhafter Kooperation zu Exzellenz gebracht haben.
Projekttafel
Bauherr: Mosterei Möhl AG, Arbon
Entwurf: Harder Speyermann Architekten ETH/SIA/BSA AG, Zürich
Ausführung: Gamisch Architekten GmbH, Zürich
Szenografie: Aroma Productions AG, Zürich
Architekturlicht: lichtgestaltende ingenieure vogtpartner, Winterthur
Szenografisches Licht: Sektor4 GmbH, Zürich
Leuchten: iGuzzini Illuminazione Schweiz AG, Zürich
Autorin: Petra Lasar